My Photo
Name:
Location: Köln

Monday, August 29, 2005

Eine erlebnisreiche Busreise und der folgende Tag

Vorgestern sind wir wohlbehalten in Taschkent angekommen. Nach einer 12stuendigen Busfahrt ueber Nacht wurden wir ziemlich muede und durchgeschuettelt an der usbekischen Grenze in die Freiheit entlassen. Aber von vorne. Der Bus war zwar von MAN, schaetzungsweise aber aus den 80ern. Leider mussten wir feststellen, dass diese Busse wohl recht haeufig von kirgisischen, kasachischen und usbekischen Muettern frequentiert werden, die alle eine Gemeinsamkeit haben. Sie sind laut westfaelischer Diktion stabil, wie Jan mir erklaerte. Folglich fiel eine Auseinandersetzung zwischen Sitz und Mutter regelmaessig zugunsten der Mutter aus - was einen deformierten Sitz zur Folge hatte. Unser Problem war, dass unsere Vordersitze in nicht unbetraechtlichem Masse deformiert wurden - und so der ohnehin nicht uebermaessig zur Verfuegung stehende Platz erheblich eingeschraenkt wurde. Die Landschaft wog aber die anstrengende Reise bei weitem auf - eine sternenklare Nacht ohne Smog und Streulicht sowie ein Sonnenaufgang in rauer kasachischer Landschaft boten unvergessliche Impressionen - die Landschaft war sowieso bisher, also auch gerade in Kirgisien, unvergesslich. Das bisher anstrengendste Erlebnis hatten wir dann auf dem Grenzkilometer zwischen Kasachstan und Usbekistan. Als wir aus dem Bus ausstiegen, der uns nur bis ca 1 km vor die Grenze gefahren hatte, stuerzten sich direkt ca 30 Kasachen auf uns mit ihren abenteuerlichen Gefaehrten, mit denen sie unser Gepaeck zur Grenze transportieren wollten. Nach erfolgreichem Abhaengen dieser Jungs wurden wir aber nicht etwa in Ruhe gelassen, sondern die naechste Horde sah die auslaendische Beute - die wollten unsere Devisen in Sum, die usbekische Waehrung, umtauschen - natuerlich zum schlechtesten Kurs, den die Welt je gesehen hat. Nach enormen Nervenaufwand konnten wir auch sie abschuetteln und uns wohlbehalten in den Grenzstreifen retten, wo wir immerhin problemlos passieren konnten. Hoffend, dass wir das Schlimmste ueberstanden haetten - es war schliesslich noch 8 Uhr morgens und wir waren, auf gut deutsch, saumuede, kamen wir aus dem Zollgebaeude der Usbeken heraus - um uns direkt wieder umringt von ca. 30-40 Personen zu finden - diesmal Usbeken, die uns mit ihrem Taxi in die Stadt fahren wollten. Wir haetten es zwar bis vor fuenf Minuten vorher nicht fuer moeglich gehalten - aber es gab noch aufdringlichere Leute als die Kasachen 500m die Strasse rauf. Nachdem ich aber dann irgendwann doch laut geworden war, liessen sie uns gluecklicherweise in Ruhe. Ab hier lief aber alles wie geschmiert. Wir ergatterten einen Minibus und fuhren zu dem Schwiegervater von Rustam namens Anwar fahren. Rustam spielt in Jans Team Schach und ist der aktuelle Schachweltmeister. Die Schwiegereltern nahmen uns ungemein herzlich auf und boten uns an, in der derzeit leer stehenden Wohnung von Rustam zu wohnen (Rustam wohnt nur noch 1-2 Monate pro Jahr in Taschkent). Nun wohnen wir also zu zweit in einer 70 Quadratmeter grossen Wohnung zentral in Taschkent - so laesst sichs leben. Aber zurueck zu dem ereignisreichen Morgen - nachdme wir in der geraeumigen Wohnung von Anwar und seiner Frau ankamen, gab es Fruehstueck (es war gegen halb elf), was ungemein koestlich und ueppig ausfiel - wir hatten aber immer noch erst ca. 3 Stunden geschlafen. Waehrend wir assen erzaehlte uns Anwar, dass er uns noch, laut Jan, um 20 Uhr zu einem Fest mitnehmen wollte. Nach dem Furehstueck, kurz nach Elf, machte er den Vorschlag, uns noch eine halbe Stunde hinzulegen und dann zur Wohnung zu fahren, was wir dankend annahmen, obwohl wir nicht verstanden, warum wir uns erst noch bei Ihnen fuer eine halbe Stunde hinlegen sollten. Wir fuhren als gegen 20 vor 12 los und landeten etwa nicht vor der Wohnung, sondern vor einem grossem Restaurant. Wie sich herausstellte, hatte Jan zwar 20 Uhr verstanden, das Fest war aber um 12 Uhr! - im Russischen klingen 12 und 20 Uhr sehr aehnlich. Ich hatte noch meine von der Reise ziemlich dreckige A&F-Baggyhose an... und wir durften so an einem muslimischen Fest teilnehmen, bei dem wir die einzigen unter 40 Jahre, die einzigen Auslaender und die einzigen Christen waren - und zudem alle mindestens ein Hemd und viele Anzug und Krawatte anhatten - danke fuers Gespraech... Ich habe mich dementsprechend etwas deplatziert unter den 400 maennlichen Muslimen - natuerlich keine Frau - gefuehlt. Das Fest stellte sich naemlich als ein religioeses heraus, bei dem zwar sehr leckeres Essen gereicht wurde und Unmengen von Tee, aber ein Imam auch zuerst 15mins sang, um dann eine gute halbe Stunde aus dem Koran vorzulesen und die Predigt mit einem 15mins Schlussgesang abzuschliessen. Der Gesang stellte sich als aeusserst interessant heraus - ich wusste gar nicht, dass Menschen solche Laute produzieren koennen, waehrend der Predigt waere ich allerdings beinahe eingeschlafen. Danach ging es dann endlich in die Wohnung, die sich in allen Belangen als sehr schoen herausstellte. Abends sind wir dann mit Anwar noch auf den Boulevard gegangen, die Flaniermeile Taschkents, und wurden danach noch zu einem weiteren ueppigen und schmackhaften Essen - und natuerlich einer ordentlichen Menge Spirituosen - geladen - an dem Tag waere ich fast geplatzt vo lauter Essen. Was auch sehr bezeichnend ist: Anwar und seine Frau brachten uns netterweise noch Bettwaesche, Handtuecher, Kuechentuecher undundund mit in die Wohnung, und waehrend wir drei Maenner uns unterhielten, ging Anwars Frau wie selbstverstaendlich daran, unsere Betten zu beziehen und die Wohnung wohnlich zu machen. Als Jan dann anmerkte, dass wir unsere Betten auch selber machen koennten, meinte der Vater ganz locker: Emanzipation kennen wir hier nicht, Frauen haben das zu machen - und die Frau hat gelacht und stolz (!) bestaetigt, dass Kochen und Aufraeumen und den-Mann-umsorgen Frauensache sei. Auf dem Rueckweg abends von den Schwiegereltern in unser neues Zuhause hielten wir einfach ein Auto auf der Strasse an - in Taschkent gelten die meisten Autos als Taxis, weil alle sehr locker sind und sich was dazu verdienen wollten. Das Lustige an dem Auto war, dass der Fahrer irgendwann abrupt anhielt und anfing eine gelbliche Fluessigkeit aus einer Colaflasche in den Tank zu giessen... Wieder im Auto, startete er das Auto zudem noch auf unkonventionelle Art und Weise - er hat es einfach kurzgeschlossen, weil die Kabel unter dem Lenkrad lose herumhingen. Heute waren wir im alten Stadtzentrum und haben einige Moscheen und Medresen (Koranschulen) besucht und uns von Fuehrern vor Ort einiges Interessantes erzaehlen lassen. Zum Beispiel haben wir den aeltesten erhaltenen Koran aus dem 7. Jahrhundert bestaunen duerfen. Morgen fangen hier die Feierlichkeiten zum Unabhaegigkeitstag an, der immer wohl sehr bombastisch begangen wird - abends werden wir ein Feuerwerk bestaunen duerfen. Am 2.9. geht es dann fuer uns weiter nach Samarkand - gut 300 km im Zug erster Klasse - fuer betraechtliche 7 Euro.

1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

gelesen! :-))

7:19 AM  

Post a Comment

<< Home